High Five,
Im August 2017 war ich auf einer Hochzeit in Kiew. Mein Freund Florian hat eine Ukrainerin geheiratet. Ich muss komischerweise als erstes an die endlose Fahrt mit dem Taxi vom Flughafen in die Stadt denken und an die heiße Luft, die tagsüber kaum erträglich war. Unsere Tage spielten sich also in der Nacht ab. Stundenlang sind wir durch die Hauptstadt gelaufen, waren in einer Weinbar in einem Supermarkt. Damals habe ich noch getrunken. Engländer, Ukrainer und Deutsche redeten ununterbrochen, lachten, waren unbeschwert. Das Brautpaar ist irgendwann betrunken ins Bett, die Gäste sind weitergezogen. Auf dem Platz Maidan stand groß "Freedom is our Religion", davon habe ich ein Foto gemacht. Jemand besorgte ein Auto, damit wir zum Dnepr fahren können. Zu acht haben wir uns reingezwängt, zwei mussten in den Kofferraum. Ich fragte, was wir machen, wenn die Polizei kommt. "No Problem." Wir mussten Tränen lachen, so aufgedreht waren wir die ganze Zeit. Alle Ukrainer*innen, die ich in diesen Tagen und Nächten kennenlernen durfte, manche in langen Gesprächen, andere nur auf der Straße im Vorbeigehen und Hallo sagen, hatten so eine positive Ausstrahlung, so eine Lust auf das Leben, so wie man das an den ersten warmen Tagen des Jahres in Berlin erlebt. Meine Gedanken kreisen gerade immer wieder zu ihnen und ihren Familien hin. Und irgendwie habe ich noch immer die leise Hoffnung, dass jetzt kein langer Winter kommt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Aus dem Hotel
Diese Woche hat Tobi Schlegl ins Hotel Matze eingecheckt. Wir haben über seine neues Leben als Notfallsanitäter und seine Erlebnisse bei der Seenotrettung gesprochen. In der Hotel Matze Suite war Philip Siefer. Dort gibt es die Extended Version unseres ersten Gesprächs zu hören. Am Sonntag dann in gewohnter und kürzerer Form im Feed.
1. Eine Unverträglichkeit
Carlotta Welding hat in der Zeit über die anerzogene Verträglichkeit von Frauen geschrieben und was passiert, wenn sie zu verträglich sind. "Doch während Jungen von klein auf lernen, dass Mädchen zu schlagen das Allerletzte ist, und mir alle darin zustimmen würden, dass ein Boxkampf zwischen einer Frau und einem Mann unfair ist, befindet sich ein anderes Problem eher im Schatten: Jeder Konflikt zwischen Frau und Mann fußt auf einem ebenso unfairen Fundament – dass einer von beiden Partnern von klein auf gelernt hat, niemanden zu verärgern, während der andere Auseinandersetzungen und das Gefühl der Überlegenheit zu lieben gelernt hat". Sehr lesenswert!
Artikel
2. Eine Bundeskanzlerin
Über meine Lieblingsbundeskanzlerin gibt es eine sehr sehenswerte Doku auf Arte. Dokumentarfilmer Torsten Körner begibt sich in seinem Film auf eine biografisch-politische Spurensuche, die von Templin bis Washington reicht, vom Mauerbau bis zum Mauerfall, von der Bonner- bis zur Berliner Republik. In meiner Lieblingsszene erfährt man, was sie eigentlich an den Wochenenden gemacht hat.
Zeit
3. Ein Tränenbuch
Letztes Wochenende lag ich verheult auf dem Sofa und habe Benedict Wells "Vom Ende der Einsamkeit" gelesen. Falls ihr es noch nicht gelesen habt, kann ich es nur empfehlen. Es ist die Geschichte von drei Geschwistern, die erst ihre Eltern und dann sich verlieren.
Taschentuch
4. Ein Abschied
Diese Woche ist ein alter Wegbegleiter, der Produzent Andreas Herbig, gestorben. Meine ehemalige Band Virginia Jetzt! hatte eine Liaison mit ihm. Es war immer wild und hoch kreativ, wenn Andreas mit uns im Studio war. Aber er war auch immer auf einer ganz anderen Flughöhe als wir. Neben uns hat er auch Udo Lindenberg, Andreas Bourani und A-ha produziert. Leena Steg hat im Stern einen schönen Abschied geschrieben. Machs gut, Andreas.
Andreas
5. Ein Pause
Etwas, was Staatsmänner häufiger tun sollten: “Almost everything will work again if you unplug it for a few minutes, including you.”
— Anne Lamott
Was für eine Woche.
Euer Matze