High Five,
Eine schwangere Freundin hat mir diese Woche vom Kreißsaal eines Berliner Krankenhauses berichtet. Die Oberärzt*innen hatten beschlossen, nur noch bei Komplikationen in den Kreißsaal zu kommen - also nur dann, wenn es eine besonders schwere Geburt war.
So eine Art Optimierung ist auf den ersten Blick verlockend. Sie ist effizienter und man fühlt sich bestimmt auch ein Stück besonders, weil man zu den wenigen gehört, die diesen krassen Job überhaupt bewältigen können. So ein Denken und Vorgehen gibt es nicht nur in Krankenhäusern. Das Problem ist, es geht dabei etwas Wesentliches verloren - die Leidenschaft.
Ich glaube, Leidenschaft hält sich nicht dauerhaft in extremen und effizienten Momenten auf. Sie verweilt eher da, wo es nicht ständig um alles geht, sondern Freiraum entstehen kann. Sonst wird es selbst ihr zu viel.
Das empfanden auch die Ärzt*innen im Krankenhaus. Das Wunder einer Geburt war nur noch mit Not- und Ausnahmesituationen verbunden. Es wurde ihnen zu viel. Meine Freundin erzählte, dass die Oberärzt'*innen den Beschluss nach wenigen Monaten rückgängig machten. Jetzt sitzen sie manchmal im Kreißsaal und werden gar nicht gebraucht.
Aus dem Hotel
Diese Woche hat die Schauspielerin Emilia Schüle eingecheckt. Wir sprechen über Empathie, ihre Erfahrungen mit Mobbing und den Blick der Kamera.
Aus dem Familienrat
Seit 5 Jahren machen Katia Saalfrank und ich den Familienrat Podcast. Im Juni wird der Rat in Hamburg und Berlin live tagen. Ich freue mich, wenn ihr vorbeikommt. Tickets gibt es hier.
MEINE HIGH FIVES DER WOCHE
1. Eine Männlichkeit
Das Thema Männlichkeit und Weiblichkeit ist nicht nur bei mir ein großes Thema. Mit einigen Gästen habe ich im Hotel schon darüber gesprochen, zum Beispiel mit Anselm Pahnke. Anselm hat mir diese Woche einen Beitrag von Radio München geschickt. Der Autor und Wildnispädagoge Gerald Ehegartner hat ihn verfasst und fragt: Wo waren die starken Männer in der Krise? Hier gibt es die vorgelesene Version.
2. Eine Lieblingsmusikerin
Feist hat ein neues Album. Bei uns zu Hause dreht nicht nur der Plattenspieler durch.
3. Ein Artikel
Was passiert, wenn man einen anderen Bildungsgrad als die eigenen Eltern erreicht, wenn man mehr Geld verdient und damit in eine vermeintlich höhere Klasse aufsteigt? Die Autorin Isabell Rogge hat einen sehr lesenswerten Artikel über die persönliche Erfahrung ihres Klassenaufstiegs geschrieben. "Lange wusste ich dieses Gefühl nicht richtig zu verbalisieren. Das Gefühl, dass ich in gewissen Kreisen nicht mehr so richtig und in anderen nie wirklich dazugehören werde."
4. Ein Roman
Benjamin von Stuckrad-Barre hat diese Woche seinen neuen Roman "Noch wach?" veröffentlicht und damit mal wieder eine Aufmerksamkeits-Lawine erzeugt. Ich habe es leider noch nicht geschafft, darin zu lesen, freue mich aber schon seit dem Erscheinungstag auf das kommende Wochenende mit Stuckiman. Und natürlich darauf, dass wir uns hoffentlich bald wieder im Hotel treffen. Denn eine Frage hätte ich noch.
5. Ein Zitat
"Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort. Hier können wir einander begegnen." - Rumi
Ich wünsche Euch ein leidenschaftliches Wochenende!
✌🏻
Euer Matze
Mal wieder tolle Tipps und ein schönes Zitat. Allerdings: der Männlichkeits-Artikel strotzt nur so vor rechten und identitären Positionen. Da wird gegen alles gewettert, was nicht bei drei klar in X- und Y-Chromosom unterteilt und mindestens drei Heldenreisen in der Schwitzhütte absolviert hat (okay, ich bin auch polemisch...). Ich finde diese antimoderne Lesart der Männlichkeiten langweilig, die Forschung ist da seit den 1980ern weiter. Es ist immer dieselbe Leier: zurück zur Natur. Zurück zu einer gefühlsduseligen, seligen Einheit von Frau und Mann, finde den Wolf/Adler/Nasenbär/Krieger in dir.
Es ist richtig, dass wir ein entschiedenes Eintreten gegen den Weltuntergang brauchen. Aber doch bitte nicht mit diesen exklusiven, binären und identitären Erzählungen! Wie wäre es mit einer Erzählung, die ein sowohl-als-auch ermöglicht? Es sind ja gerade diese entweder-oder-Erzählungen, die uns in den Schlamassel des Jahrtausends geritten haben.
Zu von Stuckrad-Barres Buch hat Teresa Bücker in ihrem letzten Newsletter geschrieben.
"Nichts daran, was er erzählt ist neu, präziser oder nahbarer beschrieben als all das, was Frauen, die Opfer wurden von mächtigeren Männern, schon immer berichten. Neu ist allenfalls, dass ein cis Mann es öffentlich zum Kotzen findet und aus seiner Verachtung für diejenigen, die Machtmissbrauch kleinreden oder vertuschen wollen, keinen Hehl macht. Dennoch wirkt es auf mich vulgär, dass jemand, der jahrelang von dem System profitierte, unter dem andere litten, und von der Freiheit des Schreibens mit sehr viel Springer-Geld schwärmt, nun davon erzählt, wie schlecht es den Frauen gehe und dass ihr Leid ihn berühre. "
https://steadyhq.com/de/teresabuecker/posts/dbc964f4-ef32-4f26-84aa-d35670f46a47
Vielleicht ja ein, zwei kritische Fragen wert nächste Woche.
Grüße!