High Five,
Ein Journalist schrieb in einem Kommentar, ich sei „radikal neutral“. Für mich las sich das erst wie ein Kompliment. Er meinte es allerdings als Vorwurf.
In den 90er Jahren in Brandenburg waren die Neutralen die Langweiligen, die Spießer, die Uninteressanten. Als Teenager wollte und musste man sich bei uns als „links“ oder „rechts“ bekennen. Man war entweder eine „Zecke“ oder ein „Fascho“ – mit allem, was dazugehört.
Auf dem Weg ins Studio dachte ich darüber nach, warum ich es überhaupt als Kompliment empfunden habe. Vielleicht, weil ich neutral sein will, denn ich glaube, dass “radikale Neutralität” ein friedlicher Gegenentwurf zum aktuellen Zeitgeist sein könnte. Ich dachte an Louis Theroux, den britischen Dokumentarfilmer, der sich fast liebevoll und offen Nazis, Pornostars und Fernsehpredigern näherte. Und ich dachte an die Schweiz, die sich mit ihrer Neutralität aus vielem herausgehalten — und damit Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg erreicht — hat.
„Radikal neutral“ kann ich aufgrund meiner Prägung und Persönlichkeit wohl nicht sein. Auch wenn ich es mir manchmal wünsche. Aber ich finde die Idee wichtig, das als eine Art Praxis zu üben.
Heute empfinde ich Menschen, denen es gelingt, neutral zu sein, als viel interessanter. Auf dem Schulhof würde ich mit ihnen rumhängen wollen.
AUS DEM HOTEL
Ich habe mich mit Gregor Schmalzried getroffen. Gregor ist Journalist, Autor und KI-Experte. Ich lese seinen Newsletter seit Jahren und finde, er hat eine besondere Gabe, über Künstliche Intelligenz zu schreiben: verständlich, klug und persönlich. Gemeinsam haben wir eine Folge für Hotel Matze aufgenommen. Ich wollte eine Art Masterclass zum Thema KI machen. Ich glaube, das ist uns geglückt.
Der Stern hat mich interviewt. Hier kann man es digital lesen (hinter Bezahlschranke) oder in der aktuellen Printausgabe.
MEINE HIGH FIVES! DER WOCHE
1. Zwei Bücher
Meine radikale Neutralität habe ich diese Woche schon geübt, indem ich zwei sehr unterschiedliche Bücher parallel gelesen habe. Martyna Linartas "Unverdiente Ungleichheit" beschäftigt sich mit dem Ausmaß der Ungleichheit in Deutschland und wirbt für eine Steuerreform. Ulf Poschardts "Shitbürgertum" arbeitet sich an der links-grünen Ideologie und dem überbordenden Staat ab und wirbt für die Kettensäge. Im Traum haben beide miteinander diskutiert. Vielleicht ist das der nächste Schritt. Erst einmal kommen sie einzeln ins Hotel.
2. Ein Disneyland
Wer Angst hat, durch KI den Job zu verlieren, sollte vielleicht Philosoph werden. In diesem Talk werden der Philosoph Markus Gabriel und der Autor Daniel Kehlmann zur Künstlichen Intelligenz befragt. Gabriel erklärt dabei, warum sein Beruf davor sicher ist – ein kleiner Satz am Rand, aber ein interessanter. Spannender fand ich ihre Gedanken zum Bewusstsein, zur Ethik und den Blick nach China, Japan und Indien. Vielleicht, so dachte ich danach, liegt Europas große Chance darin, zu einem Disneyland für das Gestern zu werden.
3. Ein Luftkuss
Wie es sein kann, dass ich die Sängerin Olivia Dean erst jetzt entdecke? Ihre Musik ist der beste Soundtrack für die Momente, in denen man den Arm aus dem Fenster hält und durch die warme Luft bewegt. Wundervoll ist ihr gemeinsamer Song mit Sam Fender.
Eine Weiterentwicklung (Werbung)
Ich mag Weiterentwicklung. Im Podcast versuchen wir immer, etwas besser oder anders zu machen. Wir haben die Intro-Musik neu eingespielt, das Cover und Logo leicht verändert und wir sind immer wieder dabei, die Aufnahmen zu optimieren. Deswegen habe ich auch eine Menge Wertschätzung dafür, wenn Menschen oder Unternehmen dranbleiben und immer besser werden wollen. Eines dieser Unternehmen ist AG1. Vor Kurzem habe ich das “neue” AG1 bekommen. Es gab nicht nur ein kleines Rezeptur-Tuning, sondern sie haben sehr viel Arbeit und Geld in die Forschung gesteckt. Mit dem Upgrade kommen fünf klinisch geprüfte Bakterienstämme ins Glas – über doppelt so viele wie zuvor. Unterstützt von neuester Mikrobiomforschung. Plus: mehr Magnesium in hoch bioverfügbarer Form – für starke Nerven, Muskeln und Energie.
4. Eine Socke
Socken im Sommer sind ein Problem, bzw. waren es. Ich habe gerade neue von Ryzon bekommen, die eigentlich fürs Laufen gedacht sind, sich aber super für heiße Tage eignen, an denen man keine Sandalen tragen will. Leicht, atmungsaktiv und chic.
5. Ein Zitat
Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere recht haben könnte. — Hans-Georg Gadamer
Zum Schluss:
Anfang des Jahres war ich mit der Well:Fair Stiftung von Neven Subotić in Tansania. Hier habe ich darüber geschrieben. Ein paar mehr Gedanken gibt es in diesem Video, das wir vor Ort aufgenommen und noch nicht gelistet haben. Die Spendenaktion für 2025 läuft weiterhin. Danke an alle, die schon so fleißig unterstützt haben und das auch weiterhin machen. Ein erster Teil der Live-Einnahmen meiner Termine ging auch gerade rein. Wenn ihr die Möglichkeit habt, spendet und teilt das gern.
Ich wünsche euch feines Wochenende.
Matze ✌🏻
Ich würde dich nicht als neutral bezeichnen, sondern du bist einfach offen für die Geschichten und Denkweisen anderer Menschen und das ist doch eine Richtung, in die wir uns als Gesellschaft wieder mehr hin entwickeln sollten.
Ich habe gestern noch in meinem Newsletter folgendes geschrieben: “Ich bin überzeugt, dass Offenheit zu den wichtigsten Eigenschaften gehört, die wir in uns stärken und fördern sollten. Uns nicht zu verschließen, besonders nicht vor dem, was wir vielleicht (noch) nicht vollständig verstehen. Menschen nicht vorschnell in Schubladen zu stecken, sich nicht lustig machen, nur weil es bequemer ist. Unsere eigene Weltanschauung nicht als die einzig richtige zu betrachten. Stattdessen Neues auszuprobieren, ohne es sofort zu bewerten oder abzulehnen.”
Und das, so finde ich, machst du extrem gut.
Radikal neutral zu sein heißt für mich nicht, keine Meinung/Position zu haben – sondern eine Haltung einzunehmen, die nicht sofort bewertet, sondern verstehen will, Brücken baut, Komplexität aushält. So verstehe ich das.
Und wer schweigt, stimmt nicht immer zu – aber verändert womöglich auch nichts.